Unsere Schule und die Stationen waren das Trainingscamp für die verschiedenen Kompetenzen, die es in der Pflege braucht. Da gab es die Fachkompetenz, die denke ich von vielen Außenstehenden unterschätzt wird. Das Waschen von Patienten ist schnell gelernt, aber es braucht sehr viel Wissen und einiges an Erfahrung, um eine klingende, belebende Waschung bei einem komatösen Patienten durchzuführen.
Auch wie man eine normale Infusion anhängt, darin könnten wir die meisten Fachfremden in 10 Minuten vermutlich anleiten. Aber wie sieht es dabei aus, wenn ein Patient 4 verschiedene Medikamente als Infusion möglichst gleichzeitig bekommen soll und alle sollen verschieden schnell gegeben werden? Und das ist nur eine der Kompetenzen; daneben gibt es noch die Personal- und Sozialkompetenz, die Methoden- und Lernkompetenz und die ethische Kompetenz. Und stetig wurden wir nach diesen Kriterien bewertet.
Doch ich denke, gerade dieses Feilen an all jenen Kompetenzen hat uns das nötige Durchhaltevermögen und die Ideale mitgegeben, um Freude an diesem Beruf zu entwickeln.
So ziemlich jeder von uns hatte während der Ausbildung die eine oder andere Krise und manch einer war kurz davor aufzugeben. Kurskollegen von mir wurden auf der Notfallaufnahme regelmäßig von Patienten zusammengestaucht, warum sie in diesem Saftladen 3 Stunden warten müssen, bis jemand sich Freitagabend ihren Hals anschaut. Wir fragen uns dann, ob die Leute nicht wissen, dass sie in einer Klinik sind und dass zwei Türen weiter um das Leben eines Menschen gekämpft wird.
Wir kamen alle ab und zu nach Hause und fragten uns, warum wir diesen Beruf ergreifen. Das große Geld ist es ja nicht und wir mögen zwar in der Gesellschaft anerkannt sein, aber dennoch wird man immer einmal wieder gefragt, wann man denn etwas Gescheites macht oder den schönen Satz: „Klingt toll. Aber ich könnte das nie.“
Dagegen wünschte ich jedem einen Tag, um die Arbeit Pflegender erleben zu dürfen. Vielleicht wäre dann mehr wirkliches Verständnis dafür unseren Beruf.
Warum ins Kino gehen, wenn mir Patienten die schönsten Liebesgeschichten, die spannendsten Erlebnisse aus ihrer Jugend erzählen? Wer kann von sich behaupten, die großen Wunder des Lebens wie Geburt und Sterben miterlebt und begleitet zu haben?
Und dann gibt es noch diese kleinen Wunder. Wenn bettlägerige Patienten das erste Mal wieder stehen. Oder die depressive Patientin, die einem das erste Mal ein Lächeln schenkt.
Wir erlebten, was es heißt, mit Menschen aller möglichen Sozialisationen, Kulturen und Altersgruppen in einen engen Kontakt zu kommen. Menschen, die auf der Straße wohnen, Menschen die schwer krank sind, Menschen mit großen und kleinen Problemen. Und wir erlebten, dass es letztendlich immer einfach Menschen sind. Vielleicht sind es diese kleinen und großen Wunder, die uns für diesen Beruf motivieren.
Viele von uns fanden das Zitat schön, als wir uns zwecks Biographiearbeit mit der Lyrikerin Hilde Domain befasst haben:
„Nicht müde werden, sondern dem Wunder, leise wie einem Vogel die Hand hinhalten.“
Unser Wunsch ist es, dass wir nicht müde werden. Dass wir nicht resignieren. Dass wir uns unsere Ideale und Wertvorstellungen behalten. Dass wir wach bleiben, für die kleinen Wunder des pflegerischen Alltags.